First Brands: Wenn ein Crash in den USA den Kreditversicherungsmarkt erschüttert

Die Insolvenz des US-Autoteilezulieferers First Brands entwickelt sich zum Lehrstück über riskante Finanzierung, fehlende Transparenz und fatale Kettenreaktionen. Wir zeigen, wie es dazu kommen konnte – und warum der Fall First Brands die gesamte Branche aufhorchen lässt.

Dieser Fall hat Potenzial für einen Thriller: Um die Insolvenz des Autozulieferers und Ersatzteileherstellers First Brands werden immer mehr Vorwürfe bekannt, darunter aufpolierte Bilanzen, riskante Kreditstrukturen und offenbar mehrfach verpfändete oder verkaufte Forderungen. Kreditversicherer, die die Geschäfte von Zulieferern und Partnern abgesichert hatten, erwarten hohe Schadenforderungen. Der Kollaps eines einzelnen Unternehmens kann so zum Stresstest für den globalen Kreditversicherungsmarkt werden.

First Brands: Wenn ein Crash in den USA den Kreditversicherungsmarkt erschüttert

Eine schnelle Expansion – auf Pump

Mit Scheibenwischern, Filtern und Bremsen stieg die First Brands Group aus Ohio im Jahr 2013 in den Markt für Autoersatzteile ein. Dank einer aggressiven Übernahmestrategie wuchs das Unternehmen rasant. Finanziert wurde dies vor allem mit Fremdkapital, und solange Zinsen niedrig und Umsätze stabil blieben, funktionierte das Modell. Am 29. September 2025 musste First Brands jedoch Insolvenz nach dem Chapter-11-Restrukturierungsverfahren anmelden und Schulden in Höhe von 11,6 Milliarden US-Dollar benennen. Im Vorfeld hatten auch erhöhte Zölle auf importierte Autoteile und ein geplatzter Refinanzierungs-Deal das Kartenhaus ins Wanken gebracht.

Ein Geflecht aus komplexen Finanzierungen

Beim Versuch, Licht ins Dunkel der Verbindlichkeiten, Vermögenswerte und Beteiligungen zu bringen, stießen Prüfer auf ein undurchsichtiges Netz aus Factoring- und Supply-Chain-Financing-Verträgen. Zwar ist der Verkauf oder die Verpfändung von Forderungen ein gängiges Instrument zur kurzfristigen Liquiditätsbeschaffung. First Brands soll aber Forderungen mehrfach verkauft oder nicht transparent ausgewiesen haben. 

Auch große Finanzinstitute sind betroffen: Die Jefferies Financial Group etwa musste einräumen, über einen Fonds rund 715 Millionen Dollar in First Brands investiert zu haben. Die Schweizer Bank UBS hält über Fonds rund 500 Millionen Dollar an First-Brands-Finanzierungen. First Brands organisierte zudem Direktkredite, unter anderem bei Walmart. Raistone, ein Gläubiger, sprach von bis zu 2,3 Milliarden Dollar, die „einfach verschwunden“ seien. Rasch wurde Kritik an den in den USA stark präsenten Privatkrediten und den damit zusammenhängenden Vergabestandards laut. Ob bewusster Betrug, Bilanzkosmetik oder schlicht Missmanagement für die Pleite ursächlich sind, werden die Gerichte klären. Fest steht: Die Folgen reichen weit über den US-Markt hinaus.

Die Folgen für die Versicherer

Denn wenn ein Unternehmen in seiner Bilanz solide, profitabel und finanzstark auftritt, werden die Kreditversicherer die Geschäfte ihrer Versicherungsnehmer mit diesem wirtschaftlich arbeitenden Unternehmen in der Regel absichern. So ist es auch bei First Brands geschehen – nur das hier die den Versicherern vorgelegten Zahlen offenbar nicht der Wirklichkeit entsprachen und der Versicherer seine Limitzeichnungspolitik wegen der vermeintlich „guten und stabilen“  Bonitätsbewertung nicht so angepasst hat wie eigentlich notwendig.

Große Versicherungshäuser müssen daher nun mit massiven Schadenersatzansprüchen ihrer Versicherten rechnen. Die Ratingagentur Morningstar schätzt die Schadensumme auf 300 Millionen bis 600 Millionen Dollar, möglicherweise gar sogar eine Milliarde Dollar. Immerhin griffen Frühwarnsysteme: Viele Versicherer sollen ihre Deckungslimits bereits vor der Insolvenz gesenkt haben – die Financial Times berichtet von einer Limitkürzung „fast ein Jahr vor dem Kollaps“, nachdem ein Versicherer auf Zahlungsschwierigkeiten bei einer der Firmentöchter von First Brands aufmerksam wurde.

Worst Case?

Der Fall wird so zunehmend auch für die Finanz- und Versicherungsbranche zu einem ernsten Thema. Noch ermitteln die Behörden, noch ist nicht klar, welche Summe die (erschlichene) Liquidität erreicht. Im schlimmsten Fall könnten sämtliche gezeichneten Limite zum Schaden werden. Dieses Worst-Case-Szenario steht aktuell im Raum, und sein Eintreten wird sowohl die Preisgestaltung von Policen als auch die künftige Limitzeichnung stark beeinflussen.

Sollte der Worst Case hier tatsächlich eintreten, wird er sich als echter Stresstest für den globalen Kreditversicherungsmarkt erweisen. Um die Dimensionen besser zu verstehen:

  • Im ganzen Jahr 2023 standen die Kreditversicherer innerhalb Deutschlands für einen Delkredere-Schaden von etwa 470 Millionen Euro gerade. Der Fall First Brands könnte allein eine ähnliche oder sogar doppelte Größenordnung erreichen.
  • Laut Berne Union, dem internationalen Verband der Kredit- und Investitionsversicherer, leisteten ihre Mitglieder weltweit Schadensersatzzahlungen in Höhe von 2,65 Milliarden Dollar auf kurzfristige Handelskredite.
  • Die Summe der Schäden von US-amerikanischen „Schadenstiftern“ haben im Jahr 2024 laut Bericht der Berne Union 331 Millionen Dollar betragen. Diesmal hat ein Schaden das Potenzial diese Summe (eventuell deutlich) zu übertreffen.  (siehe „State of the Industry Report“)
  • Die Versicherer in den USA zeichneten 2024 Limite in Höhe von rund 274,9 Milliarden Dollar. Der First-Brands-Schaden kann mehr 0,1 – 0,2 Prozent aller gezeichneten Limite (Short Term Trade Credit) ausmachen.
  • Auch nicht zu unterschätzen: Mehr als 50 Prozent des Gesamtmarkts der Kreditversicherung spielt in Europa. So wurden 1.152 Milliarden Dollar (Deutschland: 160,8 Milliarden Dollar) revolvierende Limite für europäische Gesellschaften gezeichnet, während in den USA lediglich 274,8 Milliarden Dollar Deckungsschutz zur Verfügung gestellt wurden.
 
Anmerkung: Leider lassen sich aufgrund unterschiedlicher Datenbasen und Kriterien die Zahlen des GDV nicht direkt mit denen der Berne Union vergleichen. Dennoch geben beide Erhebungen Aufschluss über die Größenordnung dieses Falls. 

Folgen für den deutschen Markt

Der First-Brands-Fall dürfte vorübergehend strengere Vertragsbedingungen, niedrigere Kreditlimits und höhere Selbstbehalte nach sich ziehen, zitiert das Handelsblatt den Morningstar-Analysten Marcos Alvarez. Auch dann, wenn „katastrophale Verluste“ ausbleiben. Da die Lieferketten – insbesondere im Automobilbau – international verflochten sind, werden auch deutsche Versicherungsnehmer betroffen sein. Je nach Höhe des eintretenden Schadens wird sich dies spürbar auf die Kreditversicherung in Deutschland und Europa auswirken. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die  ohnehin unter Druck stehenden Automobilzulieferer. Reduzieren die Kreditversicherer hier weitere Limite, wirkt sich dies auf die Finanzierung der gesamten Branche aus, die häufig Factoring in Anspruch nimmt.

Auch Investoren und Ratingagenturen blicken nun (völlig berechtigt) kritischer auf den Gesamtmarkt. Für Unternehmen in Europa gibt es aber auch Entwarnung: Laut Andrea Bonaventura von Fitch Ratings ist eine vergleichbare Pleite hier „deutlich unwahrscheinlicher“. Das liegt vor allem daran, dass das Factoring-Geschäft in Europa überwiegend von regulierten Banken betrieben wird. Dieser Einschätzung können wir uns anschließen: Das Factoring-Geschäft innerhalb Europas ist transparenter, eine reichhaltige Veröffentlichungspflicht von Bilanzzahlen erschwert Bilanzbetrug deutlich.

Unser Rat

Aktuell lässt sich die First-Brands-Pleite als folgenreiches Beispiel für übermäßige Verschuldung, komplizierte Finanzierung und Bilanzkosmetik einstufen. Die Vergangenheit hat uns etwa bei Wirecard aber auch gezeigt, dass Kunden und Geschäftspartner auch bewusst betrogen werden können. Beide Fälle belegen, wie wichtig Sorgfalt, Kontrolle und Skepsis im Umgang mit komplexen Finanzstrukturen sind.

Für Unternehmer in Deutschland bedeutet das: Das Risiko fährt immer mit. Auch bei bekannten, vermeintlich soliden Kunden. Einen Bilanzbetrug zu erkennen ist für den Laien fast unmöglich. Wer Forderungsausfälle vermeiden und versichern will, sollte sich intensiv mit der Finanzlage seiner Geschäftspartner befassen – und das verbleibende Risiko über eine Warenkreditversicherung absichern. Ein gezeichnetes Limit schützt im Ernstfall vor schmerzhaften Verlusten.

Unser Ziel: Gemeinsam zu Ihrer optimalen Kreditversicherung – mit passgenauem Deckungsschutz und unserer Expertise. Sprechen Sie uns an.

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf

Heiko Walter

Heiko Walter

Geschäftsführer
Wa-Ka Kreditversicherungsmakler GmbH
Wa-Ka Credit Solutions GmbH
Tel.: (0171) 7 64 44 22
E-Mail: walter(at)wa-ka.de

Jens Kammann

Geschäftsführer
Wa-Ka Kreditversicherungsmakler GmbH
Tel.: (0171) 7 64 44 24
E-Mail: kammann(at)wa-ka.de

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