Internationaler Frachtverkehr: Rebellen am Suezkanal, Billigwaren im Flugzeug

Globaler Handel kann nur funktionieren, wenn die Lieferwege effizient und sicher sind. Doch genau dies ist seit einiger Zeit nicht mehr gewährleistet. Die Lieferketten sind abermals in Gefahr.

Einer der wichtigsten globalen Handelswege entpuppte sich in den vergangenen Monaten zu einem gefährlichen Nadelöhr für Frachtschiffe, ihre Besatzung und ihre Waren. Auch die Bundeswehr ist vor Ort im Einsatz. Zugrunde liegt jedoch ein vielschichtiger und komplexer Konflikt, der auch deutsche Unternehmen noch lange belasten wird.

Schiffsfrachtverkehr: Gefahr am Suezkanal

Ganz neu ist das Problem nicht: Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren Containerschiffe auf der Route durch das Rote Meer und den Suezkanal überfallen. Mit dem Überfall der Hamas auf Israel und den darauffolgenden Einmarsch der israelischen Armee in den Gazastreifen musste man erwarten, dass dritte Mächte – Parteien, die der Hamas nahestehen – auf diese Region Einfluss nehmen wollen. Sie können aus einer Eskalation des Konflikts Vorteile ziehen, insbesondere um von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Ende November 2023 verschärfte sich die Lage am Roten Meer: Die jemenitischen Huthi-Rebellen kaperten ein britisches Schiff, das mit E-Autos geladen war. In den folgenden Wochen griffen sie weitere Frachtschiffe an. Zahlreiche Reedereien mieden die Strecke fortan, sie wählten auf ihrem Weg von Asien nach Europa einen deutlichen Umweg um das Kap der Guten Hoffnung. Sie wollten so einerseits Schiffe und Besatzung schützen, andererseits sind auch die Versicherungsprämien für die Durchfahrt der Passage mehr als deutlich gestiegen.

Umwege wegen der Angriffe am Suezkanal
Erdgas, Öl, Autos, Rohstoffe, Industrieprodukte und Industriekomponenten werden durch den Suezkanal transportiert. Jährlich nehmen bis zu 30 Prozent des weltweiten Containerhandels diese Strecke.
Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von TvK Consult, 2024.

Der Umweg kostet mehr Geld – und vor allem Zeit: Gut neun Tage mehr braucht ein Containerschiff über den Weg um Afrika, aus 25,5 Tagen Lieferzeit werden mindestens 34 Tage, da Staus vor Häfen nicht ausgeschlossen sind. In Teslas Gigafactory in Brandenburg trafen benötigte Bauteile derart verspätet ein, dass die Produktion zwei Wochen lang stillstand. Auch der Möbelhändler IKEA wartete länger auf in Fernost produzierte Güter. Wir sehen an dieser Stelle deutlich, wie fragil die globale Wirtschaft und die Produktion der Industrie aufgestellt sind. Und wie schnell die Konjunkturaussichten für Europa weiter nach unten gesenkt werden müssen, weil Waren nicht lieferbar und damit auch nicht verkäuflich sind.

Achten Sie auf die Fristen in Ihrer Warenkreditversicherung

Zu Corona hatten wir als Kreditversicherungsmakler einige bestehende Warenkreditversicherungspolicen in den geltenden Fristen anpassen müssen. So schlimm wie damals werden die befürchteten Lieferengpässe zwar hoffentlich nicht werden, aber auch diese Verzögerung in der Lieferkette kann dazu führen, dass geplante Auslieferungen von Waren und Maschinen sich deutlich verspäten und damit die im Kreditversicherungsvertrag vereinbarte Fabrikationsrisiko nicht mehr ausreicht. Beachten Sie daher Ihre Obliegenheiten in der Warenkreditversicherung inklusive der Fristen.

Gestiegene Frachtkosten

Die Bilanz gut drei Monate später? Die Zahl der wöchentlichen Suezkanal-Durchfahrten von Containerschiffen sei um mehr als zwei Drittel gegenüber dem Höchststand zurückgegangen, meldete die UNO-Organisation für Handel und Entwicklung (UNCTAD) vor wenigen Tagen. Der Gesamtverkehr einschließlich Tankerschiffen sei um etwa 40 Prozent gefallen. Bis Mitte Februar wurden bereits 586 Containerschiffe umgeleitet, die Containertonnage durch den Suezkanal ging um 82 Prozent zurück.

Gestiegen seien dagegen die Kosten: auf der Strecke von Shanghai nach Europa etwa um gut 25 Prozent. Der Kreditversicherer Allianz Trade bezifferte den Preisanstieg für Schiffstransporte seit November 2023 bis Anfang Januar mit 240 Prozent. Atradius zitiert in einer Veröffentlichung den Shanghai Containerized Freight Index (SCFI) mit einem Anstieg von sogar 310 Prozent gegenüber dem Wert vom November.

Explodierende Frachtkosten seit dem Beginn des Nahostkonflikts.
Explodierende Frachtkosten seit dem Beginn des Nahostkonflikts. Grafik: Mit freundlicher Genehmigung von TvK Consult, 2024.

Luftverkehr: Wenn Consumer-Produkte die Flughäfen blockieren

Unmittelbar nach den ersten Angriffen auf Frachtschiffe schätzten Logistikexperten die Folgen für Endverbraucher als eher gering ein – auch weil neben der Afrika-Route im Schiffsverkehr die Luftfracht als Alternative zum Suezkanal bleibt. Auch hybride Formen, bei der die Ware einen Teil der Strecke per Flugzeug, den anderen Teil per Schiff zurücklegt, werden häufiger nachgefragt, wie ein Vertreter des Logistikkonzerns Kühne + Nagel im STERN berichtet.

Nun ist Luftfracht sicherlich schneller, aber eben auch deutlich teurer. Und auch an den Flughäfen droht Ungemach: Der anhaltende Boom von billigen Online-Warenhäusern wie Temu oder Shein sorgt aktuell für Stau. Die beiden chinesischen E-Commerce-Unternehmen überschwemmen den europäischen Markt seit einiger Zeit mit Kleidung, Haushaltsartikeln, Spielwaren, Elektronik und mehr – zu Kampfpreisen und begleitet von aggressiver Werbung insbesondere in sozialen Netzwerken oder Online-Games.

Päckchen mit 3 Euro Warenwert

Einige Medien wie das Handelsblatt und der Spiegel zitierten in einem Reuters-Artikel Basile Ricard, einen Vertreter des Logistikers Bollore, mit den Worten: „Der größte Trend, der die Luftfracht beeinflusst, ist nicht das Rote Meer, es sind chinesische E-Commerce-Firmen wie Shein und Temu.“ Per App bestellen Kunden in Deutschland etwa Pullover für 7 Euro, Badematten für 3 Euro oder Pendelleuchten für 17 Euro – häufig versandkostenfrei. Die Ware geht dann innerhalb weniger Tage und ohne Zwischenhändler direkt zum deutschen Käufer. Aufwendige Zollpapiere und -kontrollen sowie Gebühren werden umgangen, indem die Ware auf viele kleine Päckchen aufgeteilt wird.

4.000 bis 5.000 Tonnen Waren fliegen Shein und Temu jeweils täglich aus China aus, beruft sich Reuters in dem Artikel auf Branchenexperten. Etwa 400.000 Pakete kämen täglich in Deutschland an. Die Folgen dürften klar sein: Deutsche Händler werden verdrängt, auch weil sich die Ware sehr stark an den Bedürfnissen und Trends der Kunden orientiert. Teilweise finden sich Produkte in exakt gleicher Anmutung in deutschen Online-Shops oder in der Aktionsware von Discountern wieder, der Preis liegt hier jedoch um ein Vielfaches höher. In Zeiten der Inflation greifen jedoch immer mehr Kunden auf das Billigangebot zurück – trotz höherer Umweltbelastung der individuellen Lufttransporte, trotz der Verdrängung einheimischer Unternehmen und ebenfalls trotz der Warnungen von Verbraucherschützern ob der möglicherweise geringeren Qualität oder gar Sicherheitsproblemen.

Für die Logisitikbranche bringt der Boom der chinesischen Online-Händler sicherlich mehr Auftrage, aber auch deutlich mehr Probleme: Es gibt kaum noch Kapazitäten, um Teile der ursprünglich per Schiffscontainer transportierten Waren nun per Frachtflugzeug zu liefern. Temu soll inzwischen gar Passagierflugzeuge mit Waren bestücken – sofern noch Platz im Gepäckraum ist – und selbst Frachtflugzeuge leasen zu wollen.

Fazit

Lücken in der Lieferketten und die teuren Umwege der Frachter werden die Logistik-, aber auch die Produktionskosten weiter nach oben treiben und damit auch Einfluss auf die Inflation und damit auf die Zinspolitik der EU haben. Für zusätzlichen Druck sorgen Online-Händler, die zu Billigpreis den Weltmarkt überschwemmen – und deren Produkte ebenfalls Tausende Kilometer zurücklegen müssen.

Es liegt auf der Hand, dass Versorgungswege künftig stabiler gestaltet und mit mehr Zeitpuffern geplant werden müssen – eine Lehre, die viele Unternehmen auch schon in der Corona-Pandemie ziehen konnten.

Fragile Lieferketten sind Gift für die Konjunktur – und damit auch für die Unternehmen. Eine auf die Bedürfnisse Ihres Unternehmens angepasste Kreditversicherung hilft Sie vor bösen Überraschungen zu schützen. Wir beraten Sie gerne.  

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