Die Zeit der Limitstreichungen in der Warenkreditversicherung wird kommen
Covid-19 hat die Welt weiterhin fest im Griff, seit gut einem Jahr bereits ist das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben von der Pandemie geprägt. Steigen die Risiken, werden Versicherer mit Limitstreichungen reagieren. Wir zeigen Ihnen, worauf Sie als Unternehmer jetzt achten sollten.
Die wirtschaftlichen Aussichten sind in vielen Brachen durchwachsen, viele Unternehmen haben schon im Jahr 2020 unter den Folgen der Corona-Pandemie gelitten und wurden zudem mit dem zweiten Lockdown zusätzlich geschwächt. Seit gestern wissen wir zudem: Der aktuelle Lockdown wird bis zum 7. März 2021 verlängert. Die weitere Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland und der Welt lässt sich derzeit nicht einschätzen.
Der verpatzte Impfstart kostet Europa Milliarden (lesen Sie dazu einen Artikel des Versicherers Euler Hermes: Impfverzögerung wird Europa 90 Mrd. Euro kosten). Die Negativmeldungen sind allgegenwertig. Noch ist der Schutzschirm bis zum 30.06.2021 für die Kreditversicherung aktiv, er ermöglicht den Kreditversicherern, auch die Limite für Unternehmen aufrechtzuerhalten, die unter der Pandemie besonders gelitten haben. Wie „Der Treasurer“ aktuell berichtet, sind die Versicherer Coface und Atradius zuversichtlich, dass Limitentscheidungen vorerst stabil bleiben. Von Euler Hermes liegt dem Magazin keine Stellungnahme vor. (Lesen Sie dazu das Interview mit Jochen Böhm/Coface sowie einen Artikel im E-Magazin von „Der Treasurer“.)
Allerdings sind die Kreditversicherer auch gehalten, nicht blind alle Limite bis zum bitteren Ende stehen zu lassen. Droht aus Sicht des Kreditversicherers die Insolvenz, mussten bzw. werden die Versicherer mit Limitstreichungen reagieren.
Es wird unbequem
Seit dem 1. Februar 2021 müssen nun alle Unternehmen, die unter anderem nicht zur Beantragung der Novemberhilfen der Bundesregierung berechtigt sind, die Insolvenz oder das Starug beantragen. Das trifft einige Unternehmen, insbesondere aus dem Einzelhandel.
Jeder Tropfen kann das Fass momentan zum Überlaufen bringen. Aktuell frisst der zweite Lockdown die Reserven der Händler auf, wegen des fehlenden Weihnachtsgeschäfts sitzen sie zusätzlich Bergen unverkäuflicher Ware. Einzelne Bitten von Unternehmen zur Verlängerung der Zahlungsziele liegen uns bereits jetzt vor, und wir wissen gleichzeitig von Limitstreichungen. Das zeigt uns: Es geht langsam los, die unbequemen Zeiten mit Zahlungsverzögerungen und Insolvenzen nehmen ihren Anfang.
Worauf Sie jetzt achten müssen
1. Die Bitte um Zahlungszielverlängerung / Stundung der Zahlung
Nicht jede Bitte um Stundung einer Zahlung müssen Sie im Vorfeld mit den Kreditversichern abklären. Einige Formulierungen in älteren Vertragswerken aber könnten Sie dazu verpflichten, selbst die Anfrage des Kunden beim Versicherer zu melden. Bei den meisten aktuellen Wordings haben Sie einen zeitlich befristeten Korridor eingebaut, der Ihnen hierfür Freiheiten gibt. Ob Sie diese Freiheiten jedoch nutzen sollten – darauf werden wir später noch eingehen. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Kreditversicherungsanbietern sind meist nicht groß, aber sie sind da. Selbst bei den verschiedenen AVBs eines Markteilnehmers kann es große Differenzen geben. Unser Rat: Schauen Sie sich Ihren Vertrag genau an, rufen Sie uns hierzu gerne auch an.
Sollten Sie zum Schluss kommen, dass eine Meldung an den Kreditversicherer nötig ist, wird nun der Kreditversicherer aktiv. Ist das Unternehmen schon angeschlagen oder einer kritischen Branche angehörig, wird der Kreditversicherer sein Kreditbewertung überprüfen und nicht selten das Limit dann aufheben.
2. Limitstreichungen
Auch hier gilt es einiges zu beachten. Die meisten Kreditversicherungsverträge haben eine sogenannte Nachlaufdeckung, die Ihnen ermöglicht, den Kunden auch für eine gewisse Karenzfrist unter Versicherungsschutz weiter zu beliefern. In aller Regel liegen diese Fristen bei 10 bis 30 Tagen, im Einzelfall konnten wir in der Vergangenheit auch bis zu 90 Tage verhandeln. Diese Frist hilft, wenn das Unternehmen nicht unmittelbar vor der Insolvenz steht. Bitte informieren Sie sich bei Ihrem Kreditversicherer über das Risiko – „ob hier der Busch schon brennt“ –, bevor Sie im Zweifelsfall nur noch die Masse des Insolvenzverwalters anreichern.
Im zweiten Schritt sollten Sie sich über Ihr Fabrikationsrisiko / Selbstkostenrisiko Gedanken machen. Wenn dieses in Ihrer Warenkreditversicherung mitversichert ist und Bestellungen bzw. Lieferungen noch ausstehen, müssen Sie mit Ihrem Kreditversicherungspartner sprechen. Häufig gestattet der Versicherer, die Lieferungen noch unter Versicherungsschutz zu liefern.
Noch komplizierter wird es, wenn Sie mit Ihren Kunden verbindliche Lieferverpflichtungen eingegangen sind. Oft genug werden bei Nichtlieferung Pönalen vereinbart. Auch dies kann Gegenstand der Warenkreditversicherung sein. Diese Bestimmungen gelten jedoch nicht grundsätzlich für alles, was bei Ihnen in Auftrag gegeben wurde. Eine Faustformel dafür gibt es nicht, aber meistens sind sogenannte Abrufaufträge ohne feste Abnahmebestimmung nicht mitversichert. Andererseits sollten alle Bestellungen versichert sein, für die Sie einen festen Lieferauftrag vorliegen und eine Auftragsbestätigung geschickt haben. Auch hier: Sprechen Sie mit dem Versicherer. Meist empfehlen wir auch das Gespräch mit einem Juristen.
3. Insolvenzanfechtung
Insbesondere dann, wenn Sie Kenntnis von einer schwierigen finanziellen Lage des Kunden haben, müssen Sie höllisch aufpassen. Die Bitte um Zahlungszielverlängerung ist für jeden Insolvenzanwalt ein gefundenes Fressen – geführt als Beweis, dass Sie von den Zahlungsschwierigkeiten Ihres Kunden Kenntnis hatten. Spätestens von diesem Zeitpunkt an wird er versuchen, bereits gezahlte Forderungen von Ihnen zurückzufordern. Einzig der Umstand, dass das betreffende Unternehmen noch nicht überschuldet ist, kann ihn bremsen. Erst ab den Zeitpunkt der Überschuldung der Firma kann er Anfechtungsbriefe verschicken.
Ein Beispiel
Veranschaulichen wir die Risiken einmal in einem Beispiel:
Sie haben ein Limit von 1000 T€, zwei Drittel sind ausgenutzt. Sie haben Bestellungen in Höhe von etwa 1000 T€ vorliegen, als einer Ihrer Kunden seine Zahlungsziele verlängern möchte. Dies müssen Sie dem Versicherer melden, worauf dieser nun die Limite aufhebt. Ihr Telefonat mit dem Versicherer ergab zudem, dass das Unternehmen ein Sanierungsfall war und ist. Der Versicherer genehmigt Ihnen jedoch, dass Sie die gefertigten Produkte und bestätigten Aufträge liefern dürfen. Er hofft, dadurch das mitversicherte Fabrikationsrisiko zu minimieren und so den Gesamtschaden zu reduzieren. Klingt erstmal gut, aber(!) die Rechnung geht eventuell nicht auf. Wegen der offiziellen Anfrage nach Zielverlängerung gehen Sie das Risiko ein, dass der Insolvenzverwalter alle Zahlungseingänge ab dem Zeitpunkt der Anfrage zurückfordert.
Unsere Veranlassung für diesen Text ist ein ähnlich gelagerter Fall, der uns kürzlich intensiv beschäftigt hat. Wenn Sie Pech haben, haben Sie alle Aufträge abgearbeitet und ausgeliefert, bleiben aber auf Ihren offenen Posten sitzen. Und all das Geld, welches Sie bekommen haben, wird nun zurückgefordert. 1000 T€ sind durch den Versicherer gedeckt, die Selbstbeteiligung und der über das Limit hinausgehende Betrag ist jedoch Ihr Anteil, wenn Ihr Kunde in die Insolvenz gehen sollte.
Unseren Versicherungsnehmern raten wir schon lange zu einer Insolvenzanfechtungsversicherung. Wenn das Problem allerdings direkt vor der Tür steht, wird man dafür keine Anfechtungsversicherung mehr neu erwerben können. Mit oder ohne Anfechtungsversicherung empfehlen wir den Gang zu einen Fachanwalt. Dieser kann Sie beraten und Ihnen die Möglichkeiten zeigen, wie Sie trotzdem liefern können – ohne, dass Sie Anfechtungsrisiken eingehen. Auch hier stellen wir Ihnen gerne einen Kontakt zu unseren Fachanwälten her.
Sprechen Sie uns jederzeit an – wir entwickeln mit Ihnen gemeinsam die Absicherungslösung, die Sie durch die kommenden Jahre trägt.